Erleichterte Annahme von Fortsetzungserkrankungen ohne Entgeltfortzahlung

Entscheidung

Wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EFZG länger als 6 Wochen bereits krank war, dann muss er auf erklärtes Bestreiten des Arbeitgebers umfassend vortragen und beweisen, warum es sich bei der erneut vorgelegten bzw. festgestellten ärztlichen Erstbescheinigung nicht um eine Folgeerkrankung gehandelt hat. Das bedeutet konkret: Wenn der Mitarbeiter die letzten 12 Monate vor der nun streitigen Erkrankung mehr als 30 Arbeitstage arbeitsunfähig war, ohne dazwischen 6 Monate gar nicht krank gewesen zu sein, so darf der Arbeitgeber die erneute Vorlage einer ärztlich attestierten Erstbescheinigung als unberechtigt im Hinblick auf das erneute Vorliegen einer (wieder mal entgeltfortzahlungspflichtigen) Neuerkrankung zurückweisen. In diesem Fall entfaltet die vorgelegte bzw. festgestellte, vermeintliche Erstbescheinigung des Arztes keinen hohen Beweiswert mehr. Vielmehr muss der Mitarbeiter dann zum Nichtvorliegen von Fortsetzungserkrankungen umfassend vortragen, indem er laienhaft bezogen auf den gesamten maßgeblichen Zeitraum schildern muss, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden. Außerdem muss er gleichzeitig die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden.

In diesem Zusammenhang hat das BAG auch klargestellt, dass hiergegen keine datenschutzrechtlichen Bedenken bestehen. Auch hat das BAG deutlich gemacht, dass der Mitteilung der Krankenkasse zum (Nicht-) Vorliegen von Fortsetzungserkrankungen kein beachtlicher Beweiswert zukommt, unter anderem auch deshalb, da die Krankenkassen in diesem Zusammenhang wegen ihrer unmittelbar betroffenen finanziellen Interessen nicht als unparteiische Dritte angesehen werden können. Letztlich hat das BAG herausgehoben, dass auch der Verweis auf den ICD-Diagnoseschlüssel auf der AUB-Bescheinigung (für den Arbeitnehmer und die Krankenkasse) nicht als Beweismittel ausreicht, da eine Fortsetzungserkrankung nicht nur bei einem identischen Krankheitsbild vorliegt, sondern es aus für eine Fortsetzungserkrankung ausreicht, wenn die Krankheitssymptome auf demselben Grundleiden beruhen.

Praxistipp

Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Entgeltfortzahlung unter Berufung auf dieses BAG-Urteil zumindest in sich aufdrängenden Missbrauchs- bzw. Ausnutzungsfällen zu verweigern, wenn er einem Mitarbeiter die letzten 12 Monate bereits für mehr als 6 Wochen Entgeltfortzahlung geleistet hat. Das hat zur Folge, dass der Mitarbeiter seinen Entgeltanspruch vor Gericht einklagen und dann genau darlegen und beweisen muss, warum es sich tatsächlich wieder um eine Erstbescheinigung (Neuerkrankung) gehandelt hat. In der Zwischenzeit, d.h. bis zur gerichtlichen Klärung, muss die Krankenkasse nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zumindest vorläufig mit der Zahlung von Krankengeld einspringen. Hierauf sollte man den Mitarbeiter aus Fürsorgegesichtspunkten hinweisen. Bei der Erststellung des entsprechenden Textes sind wir Ihnen gerne behilflich.

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